Rezensionen

ISABELLA PAIER: „ich bin nicht fertig, ich bin im Werden“

Im Zentrum ihrer Gemälde steht die Frau in ihrer inneren Befindlichkeit - mit all ihren Empfindungen, Sehnsüchten sowie ihrer Sinnlichkeit.

Die Protagonistinnen scheinen vertraut - bekannt aus dem alltäglichen Umfeld, Mode- und Lifestylemagazinen, von Plakaten und dem Internet. Abgelenkt durch diese scheinbare Vertrautheit offenbart sich erst auf den zweiten Blick die Ambivalenz, die den Darstellungen zu Grunde liegt. Diese Frauen absentieren sich von jeglicher Kommunikation, sie haben sich in ihre Privatsphäre zurückgezogen, sind mit sich selbst alleine in ihrer eigenen Welt und wirken wie Schauspielerinnen nach ihrem Auftritt, wenn die Maske fällt. Sie befinden sich in einem scheinbar unbeobachteten Moment, in dem Selbstreflexion und Selbsterkenntnis stattfinden. Die emotionalen Zustände der Personen transportiert die Künstlerin vor allem durch die dargestellten Körperhaltungen als Spiegel der Seele - oft sind es zusammengekrümmte Posen, das Gesicht in den Händen vergraben oder vom herabfallenden Haar bedeckt. In den ausgewählten Bildausschnitten wie Rückenansichten, Perspektiven von oben, Close-ups, angeschnittenen oder ganz weggelassenen Gesichtern wahrt sie die Anonymität der Abgebildeten und schafft so Distanz zum Betrachter, der zum Beobachter, fast zum Voyeur der intimen Situation wird. Es sind Darstellungen von intensiven Lebensgefühlen wie Schmerz, Verzweiflung, Angst aber auch Freiheit oder dem Entdecken der eigenen inneren Kraft. Die Isolation der Figuren wird durch Raumabstraktionen verstärkt - Traumsequenzen gleich, losgelöst von einer realen Umgebung. Der Handlungsort ist ein geistiger und fügt sich inhaltlich durch atmosphärische Farbsequenzen der Gestalt hinzu wie bei einer kinematographischen Nahaufnahme mit enormer Tiefen-Unschärfe.

Die dargestellten Personen scheinen in ihrer körperlichen Präsenz so greifbar und entziehen sich dennoch geheimnisvoll auf ihrer Suche nach dem Missing Link zwischen dem sichtbaren Körper und der unsichtbaren Seele. Ab und an gesellen sich Märchen- und Fabelwesen zu den in sich gekehrten Frauengestalten, als verbildlichte Metaebene der Dualität ihrer Gefühlswelt, als Hoffnungsträger und unterstützende geistige Begleiter, die Leichtigkeit zulassen und humorvoll Auswege aufzeigen, als versöhnendes oder verstörendes Element in der Widersprüchlichkeit der Emotionen.

Isabella Paiers Gemälde eröffnen das weite Feld der Introspektion und ermöglichen uns durch den Blick in innere Welten Selbstentdeckung im Kontext der eigenen Lebenssituation. Darüber hinaus ermutigen sie zur kritischen Hinterfragung gesellschaftlich tradierter Normen sowie zeit-geistiger Strömungen aus kulturphilosophischer Perspektive gesehen.


Mag. Elisabeth Th. Winkler

Kunsthistorikerin, Kurator/in

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